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WWWW Was war. Was wird.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Manchmal bekommen Neuigkeiten Kinder. Die laufen dann rum und brüllen besonders laut. So meldete sich in der letzten Woche die Firma Erodata zum viel diskutierten Jugendschutz der vorletzten Woche zu Wort. In demokratisch lobenswerter Ausgewogenheit betreibt die Firma ein Geschäft für Altersabfragen von Pornosites und eine geschützte Internet-Plattform für Kinder. Ein Verbot für Schmuddelkram zwischen 6.00 Uhr morgens und 23.00 Uhr abends findet sie darum lächerlich, wie es in der PR-Mitteilung heißt. Ohne Schweinskrams gebe es in Deutschland kein vernünftiges Internet, behauptet Erodata: "Ein großer Teil der geplanten Neuregelung ist ein frontaler Angriff gegen die seriöse Internet-Erotikindustrie, die seit Jahren treibende Kraft und somit Motor des Internet ist. Den Erotikunternehmen in Deutschland ist es zu verdanken, dass Deutschland zu den führenden Internetnationen in der Welt gehört." Das muss in dieser Deutlichkeit auch den Lesern des Heisetickers immer wieder bewusst gemacht werden. Ohne Haut und Höschen hat das Internet kein Bumms, liebe 68er!

*** Manchmal braucht es für schlichte Wahrheiten nicht einmal Kinder, die sowieso nicht jeder haben will. Aber wenn sie denn schon da sind, sollen sie etwas Vernünftiges sehen beim Klicken durchs Netz und nicht verblöden. Das hatte sich das Internet-ABC gedacht und diese Woche seine Pforten zu einer großen Shockwave-Orgie geöffnet. Angesichts der PISA-Werte von Deutschland bleiben jedoch erhebliche Zweifel, ob das Installieren von Plugins für Kinder soo einfach ist. Sind die Plugins installiert, bleiben dagegen nur noch Zweifel, was in den Hirnen von Web-Designern vorgeht, die solche Albträume zusammenklicken. Aber wer einen Button drücken kann, darf sich heute schon Designer nennen, so einfach ist das.

*** Manchmal kreißt der Berg und heraus kommt ein Mäuschen. Die Spekulation ist vorbei; aus Ginger wurde Segway, der Stadtrasenmäher. Kinder, die mit aufgemotzten Segways groß werden, dürften kaum mehr den Gassenhauer "Love my on the backseat of my motor scooter" grölen. Wenn denn TROLLFKAG (The Roller formerly known as Ginger) überhaupt in Serie geht. Auf den hoch gelobten Rollstuhl iBot vom Über-Düsentrieb Kamen wartet die Welt noch immer. Verblüffend an der gyroskopalen Maschine ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis der Menschen, die sie bewundern. Niemand erinnert sich mehr an den C5 eines Sir Clive Sinclair. Dieser Roller sollte ebenfalls die (englischen) Städte revolutionieren. Soll der wackere Brite nur mit den grauenvollen Gumminocken seines ZX-81 oder des Z88 in Erinnerung bleiben? Und wenn schon Roller, wo bleibt die Bewunderung für das schöne bodenständig deutsche Plankalkül, getauft in Erinnerung an einen anderen großen Computerbauer mit Z-Syndrom?

*** Manchmal ist das mit der Erinnerung so eine Sache. Da erinnern sich die Schweizer, dass Herr Pierre Boulez, seines Zeichens ein auch von mir hoch geschätzter Musikus, einmal davon sprach, die Opernhäuser in die Luft zu jagen, und prompt wird der Mann nach 34 Jahren sistiert. Was passiert wohl mit denen, die zur Anfangszeit der RAF belustigt sangen "Advent, Advent, ein Kaufhaus brennt" -- die neue Gesinnungsrepublik wird sie noch einholen wie Disney die linksliberalen Kollegen vor dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe. Wenn schon ein Disney gewürdigt werden muss, dann ist es der Disney des "Para leer al Pato Donald", das morgen vor 30 Jahren im chilenischen Verlag Quimantú (Der Sonnenschein des Wissens) als Schulbuch erschien. In Deutschland erschienen unter "Walt Disney's 'Dritte Welt'", in den USA treffender als "How to Read Donald Duck. Imperlialistic Ideology in the Disney Comic". Das Buch brachte die chilenischen Autoren Dorfmann und Mattelart auf die Fahndungslisten des CIA; der amerikanische Herausgeber Seth Siegelaub musste nach Kanada fliehen und bekam in Frankreich politisches Asyl. Als Disneyland Paris eröffnet wurde, gab es für die in Frankreich lebenden Publizisten "Staatsschutz": Drei Wochen durften sie ihre Wohnung nicht verlassen.

*** Manchmal sind Dichter unter uns. Sie reimen vom Nikolaus oder von den Routern, die das Leben stellt. Aber warum sollen immer nur Dichter die Vorfahrt haben? Was ist mit den Malern, diesen Künstlern der Liebe und des Betons? Auf eBay versteigert Torsten Hattenkerl die Inhalte zu seinen Bilderrahmen und unter all den Aufforderungen, etwas in diesen Tagen zu einem "guten Zweck" zu tun, ist dies die ehrlichste: Auch Dichter und Maler müssen mampfen. Her mit dem Gedicht, das in diesen Rahmen passt!

*** Manchmal verlässt die Öffentlichkeit ihre sonst allgegenwärtige Erinnerung. Sonst wäre der Anfang des Dezembers die Gelegenheit, sich daran zu erinnern, dass es einmal Volksdichter oder Volksschriftsteller gab -- lange bevor sich angesichts von Volks- oder auch volkstümlicher Musik solche Wortzusammenhänge für ernstzunehmende Menschen verbaten, und das nicht nur wegen des Verdikts von Brecht selig, das Volk sei nie tümlich. Johann Gottfried Seume jedenfalls, dessen "Spaziergang nach Syrakus"am Morgen des 6. Dezember 1801 begann, straft den Italien-verliebten Bildungsbürger Lügen, der mit Goethe das Wahre, Schöne, Gute in der Toskana und in Rom sucht, stattdessen aber die Armut Kalabriens und Siziliens finden sollte. Und Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy (geboren am 7. 12. 1801) ebenso wie Ödon von Horvath (geboren am 9. 12. 1901), der dann viel zu früh starb, beschrieben den Kleinbürgern in all seiner Volkstümlichkeit -- sympathisierend? Nein, aber nicht ohne Verständnis, und daher charakterisierend und entlarvend. "Der ewige Spießer", der in den "Geschichten aus dem Wienerwald" der misstrauisch beäugten Angebeteten am liebsten ins Gehirn schauen will, um sie endgültig unter Kontrolle zu haben, ist nicht weit entfernt vom deutschen Kleinbürger, der, umstellt von lauter Bin Ladens, der totalen Überwachung applaudiert. Die Angst des Spießers vor der Freiheit schaut den Schilys und den Büssows aus den Augen. Denken tut weh, meinte Horvath. Man sieht es manchen Leuten an.

Was wird.

Manchmal gibt es unscheinbare Daten und großes Gedöns. In den USA steht dieser Tage die 10-Jahres-Feier des Web an, weil Tim Berners-Lee am 18. Dezember vor 10 Jahren auf der Hypertext 91 in San Antonio den erstaunten Amerikanern das Web vorführte. Welchselbiges aber zu diesem Datum in Europa bereits seit einiger Zeit am Laufen war und es auf "erstaunliche" 100 Hits am Tag brachte, wie Berners-Lee in seinem "Weaving the Web" erzählt. Nun erwarten viele den Streit der Fachleute, der BuchautorInnen und Beteiligten, doch etwas wird in den nächsten Wochen garantiert in Vergessenheit geraten: dass es ein Internet vor dem World Wide Web gegeben hat und dass es eine Zukunft des Internet nach dem WWWW geben muss.

Manchmal staune ich selbst: Gibt es doch tatsächlich Leser dieser Chronik, die die Bobos vermissen! Ihnen sei Mark Shuttleworth empfohlen, der als zweiter Tourist in eine Umlaufbahn geschossen wird. Er muss ein bisschen mithelfen, so wie er mithelfen musste, seine Firma Thawte an Verisign zu verkaufen. Dabei meint das Schicksal es doch sooo schrecklich hart mit unserem Vorzeige-Bobo: Der Mann, der mit seinen eingenommenen Millionen zunächst ein großartiges Silicon Valley in Südafrika schaffen wollte, verglich ein paar Monate später seine Verpflichtung für Südafrika mit dem Rassenzwang, dem schwarze Südafrikaner im Apartheids-Staat unterworfen waren: "...Perhaps the biggest tragedy is the personal one. New-model Shuttleworth in his new world of extreme wealth is seemingly oblivious to the broader consequences of his actions. That he has completely lost perspective is reflected in his statement to the reporter that to entrepreneurs, the country's foreign exchange control laws 'feel similar to what pass laws felt to Black South Africans.'" Hello? Masldik Chanukka. (Hal Faber) / (jk/c't)

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Kommentare:
Re: Der ZX81... - Newton - REX 6000 (p h o s m o , 10.12.2001 14:12)
Re: Der ZX81... - Newton (p h o s m o , 10.12.2001 13:31)
Re: Der ZX81... - Newton (wormy , 10.12.2001 10:14)
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